AUSSTELLUNGSARCHIV

       

Katharina Ricken

Variationen

01. November 2008 - 18. März 2009

 

 

Wie entwickelt sich künstlerisches Schaffen im Laufe eines Lebens? Wie verhalten sich Motivwahl und Gestaltung Jahrzehnte später? Wie ändern sich die Themen, die künstlerische Aussage, die Materialwahl? Und was bleibt – bewusst oder unbewusst – schöpferische Konstante?

Diese Fragen wirft die neue Ausstellung „Variationen“ in der Galerie am Rhein auf, die am 01. November 2008 um 12.00 Uhr in ihren Räumlichkeiten am Anna-Schneider-Steig 7, Köln-Rheinauhafen eröffnet wird. Es ist die vierte Ausstellung mit Bildern der Kölner Künstlerin Katharina Ricken (1917-2005).

 

Irmgardiskapelle, 1936, Kreide, 40x30,5

 

 

            Süchteln: Irmgardis-Kapelle, 1997,

            Acryl, 50x65

 

Katharina Ricken wurde 1917 in Köln geboren. Sie studierte an der Kunstgewerbeschule Krefeld und später in Hamburg Malerei. Der Krieg und die familiäre Situation – fünf Kinder galt es in den Nachkriegsjahren großzuziehen – erlaubten es ihr über Jahre hinweg nicht, ihrer Berufung in angemessener Weise nachzukommen.

Dennoch finden sich in der neuen Ausstellung Bilder von 1936 bis 1997. In diesen 61 Jahren entwickelte Katharina Ricken ihren künstlerischen Ausdruck nicht einfach nur weiter. Malte sie zunächst weitgehend akademisch und mit Kreide – so dass ein Meerbuscher Auktionshaus sie als „Expressionistin“ vermarktet –, gab es 1989 einen Bruch in der Radikalität der Aussage sowie in der Motiv-, Farb- und Materialwahl.

Was bis dahin eher versteckt etwa in Stillleben zum Ausdruck kam, nämlich die immer wiederkehrenden Fragen nach dem Leben und wie es künstlerisch abbildbar sei, bricht in den frühen 90er Jahren frei. In leuchtenden Rottönen in Acryl, mit geometrischen Formen experimentierend, wird der Blick auf Existenz, Endlichkeit, Gesellschaft sowie menschliche Stärken und Schwächen zunehmend hintergründiger, ironischer und humoristischer.

 

Und trotz des Wandels über 61 Jahre hinweg: etwas bleibt.

„Variation“ bezeichnet in der Musik die Abwandlung eines Themas in Melodie, Harmonie und/oder Rhythmik. In diesem Sinne hat die Galerie am Rhein Bilder gleichen oder ähnlichen Titels aus verschiedenen Schaffensperioden ausgesucht und präsentiert sie als (un)gleiche Paare, die sich gegenseitig kommentieren, spiegeln und widersprechen.

 

 

 

Auferstehung der Blumen (Schubert), 1976,Kreide, 48x62

 

 

           Schubert: "...der Maien ist kommen,

          der Winter ist aus", 1996, Acryl, 50x60

 

Stufen, 1982, Kreide, 48x50,5

 

 

            Wendeltreppe, 1997, Acryl, 50x60

 

 

Vitrine für Antik-Glas, 1978, Kreide, 48x59,5

 

 

   Vitrine für Kleinkunst, 1991, Acryl, 46,5x55

 

 
Blumenstand, 1971, Kreide, 47x44,5    Blumenverkäuferin, 1989, Tempera, 43,5x38

 

 

Antipoden

1993

Acryl

50x60

 

Antipoden

1995

Acryl

50x60

 

Blick in mein Stübchen

1997

Acryl

40x37

 

Entwicklungsstufen

1995

Acryl

 
 

Herbstzeitlose

1990

Tempera

46,5x56

 

Herbstzeitlose im Vorgebirge

1986

Kreide

48x51,5

 

Mein Atelier

1974

Kreide

48x59,5

 

Oberlicht im Atelier

1983

Kreide

48x50,5

 

"...Was schnell auffällt: Die Titel werden immer hintergründiger, ironischer und humoristischer. Und der Mensch wird immer zentraler. Im Bild der Irmgardiskapelle von 1936 ziert ein großer Baum die Umgebung, 1997 tritt an seine Stelle eine menschliche Figur. Überhaupt schwingt im späteren Werk mit seinen sich auflösenden Konturen und flüssigen Farben die eigene Endlichkeit mit.


Noch deutlicher sehen wir das in den daneben hängenden Bildern „Herbstzeitlose im Vorgebirge“ und „Herbstzeitlose“. Wer die Künstlerin kannte, erkennt sofort das Selbstportrait im Werk von 1990, ein Selbstbildnis, dem der Tod ins Gesicht geschrieben steht. Die Bilder unterscheiden sich sehr in der Darstellung, nicht aber in ihrer Bedeutung und Thematik.

 

Die Bilder des Spätwerkes helfen also, die tiefere Bedeutung der oft eher lieblich bis melancholisch wirkenden Kreidebilder früher Jahre zu verstehen.

Das Bild „Entwicklungsstufen“ entlarvt, was auch in „Stufen“ und „Wendeltreppe“ das eigentliche Thema ist. Gerne hätte ich Ihnen heute noch ein viertes verwandtes Bild gezeigt, das diese These stützt, das sich aber leider nicht mehr im Besitz der Galerie befindet. Das Bild heißt ebenfalls „Stufen“. Am Treppenabsatz sehen wir ein Baby und in der Höhe eine alte Hand, die eine Uhr umklammert hält. 

 

Dann gibt eine Rarität, die mich überrascht hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern hat Katharina Ricken nur sehr selten ihre eigenen Motive wiederholt oder kopiert. Die Bilder „Der Blumenstand“ von 1971 und „Die Blumenverkäuferin“ von 1989 ähneln sich in der Bildkomposition dagegen sehr. Hier war es mit Sicherheit die eigene Unzufriedenheit, die wesentlich zu Katharina Rickens künstlerischem Schaffen gehörte und die sie bewog, das frühe Werk zu „verbessern“..."

 

Auszug der Eröffnungsrede von K. Kühne zum 1. November 2008