Käthe Ricken
gehört zum Jahrgang 1917. Aufgewachsen mit vier Geschwistern erhielt
sie trotz konservativer Sphäre im Beamten-Elternhaus erste
Anregungen zur Malerei.
Während die
Mutter mit ausgeprägt feinnervigen, melancholischen Zügen und
schriftstellerischen Fähigkeiten zu skizzieren ist, so war der
Vater, als ehrenhafter, staatsbewusster Steuerbeamter, alles andere
als der Typ eines Beamten. Erblich vorbelastet, besser gesagt
ausgezeichnet, (schon der Großvater hatte große grafische
Qualitäten) zog er sich oft als Hobbymaler mit Pinsel und Palette in
seine Welt zurück, oder er nahm seine Kinder bei der Hand und führte
sie in die Museen. Kein Wunder, drei Kinder verschrieben sich der
Malerei. Welch beglückendes Erleben, gemeinsam hinauszuwandern, um
die Wunder der Natur in Zeichnungen festzuhalten.
Gerade dieses
gemeinsame Erleben ist der Künstlerin unauslöschbarer Begriff
geblieben, der sich späterhin in der eigenen Familie widerspiegelt
und seinen Niederschlag in ihren Werken zur Aussage bringt.
In den Jahren
von 1934-37 erfolgte eine gründliche Ausbildung des bisher „Darauf-Hinmalens“.
Dies in der Erkenntnis: Elementare Voraussetzung - das
Zeichnenkönnen - geht der Malerei voraus.
An der
damaligen Kunst-Gewerbeschule in Krefeld erhielt Käthe Ricken unter
H. Prof. Berlings, H. Prof. Breker (intern. Preisträger) und H.
Oberstudienrat Laurenz Goossens eine gewissenhafte Ausbildung, die
dann durch ein erweitertes Studium in Hamburg ihren Abschluss fand,
wobei die Künstlerin sich insbesondere der Glasmalerei zuwandte.
Die alles
verbindende starke Konturierung der Glasbilder, gefüllt mit sich
unterordnenden leuchtend farbigen Flächen, ist der Künstlerin haften
geblieben, spürbar in allen ihren Bildern.
1942 heiratet
Käthe Ricken und wenige Jahre danach kam der Krieg.
In dieser
harten Zeit lassen fünf Kinder die Künstlerin ganz zur Hausfrau und
Mutter werden und nur selten, ja vielleicht schmerzhaft, flüchtend
aus einer sorgenvollen Welt, entsteht hier und da ein zaghaftes
Kinderportrait und im Strich verflechtet liegt eine bangende - aber
stets hoffende Seele.
1963 beginnt
ein neues Schaffen, ein unerhört fleißiges Studium mit starker
Selbstkritik. Schon bald ist die Malerin Mitglied der
niederrheinischen Künstlergilde Krefeld und stellt in dieser Gruppe
im In- und Ausland aus.
Wer keine
bestimmte Vorstellung vom Werk dieser Künstlerin hat und sich
innerhalb von Ausstellungen mit diesem konfrontiert, wird überrascht
sein von der stillen eindringlichen Kraft ihrer unverwechselbaren
Bilder, wird kaum verstehen, dass sich diese Malerin nicht längst
einen Spitzenplatz im Kreis von Liebhabern und Freunden ihrer Kunst
erobert hat. Verwundert stellt man fest, dass ihr Name nur einem
relativ kleinen Kreis von Kennern geläufig ist. Gerade diese
Gegebenheit spricht für die Bescheidenheit der Malerin, die so
unerhört selbstkritisch - kaum wagte, sich als Künstlerin zu
bezeichnen.
Wer ist sie
nun wirklich?
Ist sie
irgendeine realistische Malerin, deren Werk nur die reine Freude am
Geschauten widerspiegelt, an der die geistigen und malerischen
Errungenschaften und Ereignisse, der revolutionäre Charakter der
Malerei unserer Zeit vorbeigegangen ist - und zwar spurlos?
Keineswegs!
Die nähere Auseinandersetzung mit ihren Bildern beschert uns die
Bekanntschaft mit einer Poetin, deren Ehrlichkeit und Treue zum
einmal gefundenen Stil sie in die Reihe der Aufrechten erhebt.
Wir lernen
eine Künstlerin kennen, die es konsequent zur Malerei trieb, die
nicht abseits steht, keine Nachzüglerin ist und gewiss
keine Unzeitgemäße!
Von Jugend an
voller Lebensfreude, voller Liebe und echter Begeisterungsfähigkeit
für das Treiben auf Straßen und Plätzen, mit einem Feingefühl für
das Typische, für die Schönheit der Natur, für alles ringsherum in
dieser Welt - empfand sie sich vom Glück beschenkt, wonach ihr Sinn
stand: Reisen zu unternehmen, die sehnlichsten Herzenswünsche
erfüllten und neue Erlebnisse gewährten.
Die in dieser
Zeit entstandenen Bilder geben so Aufschluss über ihr künstlerisches
Können wie über ihre individuelle Empfindsamkeit.
So schrieb die
Journalistin Frau Vick, Krefeld, über das Werk der Künstlerin:
„Die meisten
ihrer Bilder haben ihre Wurzel in südlicher Landschaft. Doch das ist
keine sentimentale Reminissenz, die von Toruistik-Büros im Prospekt
übernommen werden könnten - kein Italien, in dem man „O sole mio“
singen könnte. Darum auch der bruchlose Übergang zur finnischen
Herbheit.“
Die Hinwendung
zum eigenen Stil ist erstlinig Verzicht auf Nebensächliches, die
Stärke ist die Einfachheit, trotzdem aber im Detail sind Form und
Farbe ehrfürchtig dem Ganzen unterstellt.
Hier eben
offenbart sich die alte Liebe zur Glasmalerei: starke Linienführung
veredelt die Form und letztere ist erfüllt mit sprechenden,
leuchtenden Farben, die ihrerseits, trotz ihrer Betonung und
manchmal modisch anmutenden Aussagekraft, nichts „Poppiges“,
Aufdringliches ausstrahlen, vielmehr liegt in der Harmonie
feinfühliger Abstimmung etwas Bezauberndes, Schmetterlinghaftes, ein
Losgelöstsein - im Sinne unterschiedlicher Heiterkeit und
Besinnlichkeit.
Die Palette
ist unterschiedlich - Feuer, Dynamik - sie ist schillerndes
Perlmutt, ob im bewusst Betonten oder in der Mäßigung gebotener
Farbnuancierung.
Worin aber
besteht das Besondere ihres Schaffens?
Zunächst
einmal in dem, was als ihre Bild-Idee zu nennen ist, die
Verschmelzung von Inhalt und Form zu einer einmaligen Einheit.
Nicht weniger
„exzentrisch“ ist die Aufteilung ihrer Kompositionen. Landschaften
und Interieurs sind oft bewusst gespalteten durch strenge
Halbierungen mit betonten Elementen, an denen man vorbeisehen muss,
um in den Raum vorzustoßen, durch Tür oder Fensterrahmen, die
überraschenden Seitenblick erschließen. Es gibt überhöhte
Standpunkte, wie im Überblick, oder vordergründig betont ein Tisch,
zwingend an ihm Platz zu nehmen. Alles dient der strengen, aber nie
aufdringlichen Aufteilung in horizontale, diagonale oder vertikale
Felder, Träger jener Farbwerte, welche den Reiz ihrer Malerei
bestimmen.
Zwei Züge sind
noch hervorzuheben, die als Gegenspiel zu ihrer sonst strengen
Komposition zu deuten sind.
Fast in jedem
Bild gibt es einen ganz locker und duftig gemalten Bereich, wo die
Künstlerin das gegenständliche gänzlich verlässt und sich jenem
Zauberhaften zuwendet, was ihre Stärke ist. Bald ist es ein Strauch,
ein Gewandstück oder Blüten, die ganz einfach unser Entzücken
bilden, wobei man oft gar nicht erkennt, was an dieser Stelle
eigentlich gemalt sein sollte.
Zum anderen
weist oft das Bild irgendein überraschendes, bisweilen fast
paradoxes Moment auf, das man ergründen muss, einen ungewöhnlichen
Ausschnitt, das Fragment eines überschnittenen Gegenstandes, einen
vereinzelten Farbfleck, der sich dem Gesamtton entgegenstellt, feine
vergeistigte Züge einer empfindsamen Seele.
In dem oft nie
ganz Ausgesprochenen, nur Angedeuteten liegt der ganze Zauber ihrer
Malerei. Man wird ihrer nie müde, muss sich mit ihr
auseinandersetzen, gelangt durch Fragen nur zum Zwiegespräch.
Betrachtet man
so das Werk der Künstlerin, dann wird offenbar, warum sich hier
nicht im technischen Experiment, im Rausch von Farben eine überaus
starke Hand im Sinne einer revolutionären künstlerischen Entwicklung
produzieren kann, nein, still, mehr kindlich naiv, herzhaft,
zaghaft, aber unbeschwert, mit der lebenserzieherischen Sparsamkeit
des Material-Einsatzes und einer edlen Sensibilität für
Farbkompositionen entstehen ihre eigenwilligen Werke in einer
individuellen Technik und erzwingen begeisterten Widerhall.
Einführung von
Bruno Ortmann, 1974