KATHARINA RICKEN - Schriften: Bruno Ortmann, 1974

 

Käthe Ricken gehört zum Jahrgang 1917. Aufgewachsen mit vier Geschwistern erhielt sie trotz konservativer Sphäre im Beamten-Elternhaus erste Anregungen zur Malerei.

Während die Mutter mit ausgeprägt feinnervigen, melancholischen Zügen und schriftstellerischen Fähigkeiten zu skizzieren ist, so war der Vater, als ehrenhafter, staatsbewusster Steuerbeamter, alles andere als der Typ eines Beamten. Erblich vorbelastet, besser gesagt ausgezeichnet, (schon der Großvater hatte große grafische Qualitäten) zog er sich oft als Hobbymaler mit Pinsel und Palette in seine Welt zurück, oder er nahm seine Kinder bei der Hand und führte sie in die Museen. Kein Wunder, drei Kinder verschrieben sich der Malerei. Welch beglückendes Erleben, gemeinsam hinauszuwandern, um die Wunder der Natur in Zeichnungen festzuhalten.

Gerade dieses gemeinsame Erleben ist der Künstlerin unauslöschbarer Begriff geblieben, der sich späterhin in der eigenen Familie widerspiegelt und seinen Niederschlag in ihren Werken zur Aussage bringt.

In den Jahren von 1934-37 erfolgte eine gründliche Ausbildung des bisher „Darauf-Hinmalens“. Dies in der Erkenntnis: Elementare Voraussetzung - das Zeichnenkönnen - geht der Malerei voraus.

An der damaligen Kunst-Gewerbeschule in Krefeld erhielt Käthe Ricken unter H. Prof. Berlings, H. Prof. Breker (intern. Preisträger) und H. Oberstudienrat Laurenz Goossens eine gewissenhafte Ausbildung, die dann durch ein erweitertes Studium in Hamburg ihren Abschluss fand, wobei die Künstlerin sich insbesondere der Glasmalerei zuwandte.

Die alles verbindende starke Konturierung der Glasbilder, gefüllt mit sich unterordnenden leuchtend farbigen Flächen, ist der Künstlerin haften geblieben, spürbar in allen ihren Bildern.

1942 heiratet Käthe Ricken und wenige Jahre danach kam der Krieg.

In dieser harten Zeit lassen fünf Kinder die Künstlerin ganz zur Hausfrau und Mutter werden und nur selten, ja vielleicht schmerzhaft, flüchtend aus einer sorgenvollen Welt, entsteht hier und da ein zaghaftes Kinderportrait und im Strich verflechtet liegt eine bangende - aber stets hoffende Seele.

1963 beginnt ein neues Schaffen, ein unerhört fleißiges Studium mit starker Selbstkritik. Schon bald ist die Malerin Mitglied der niederrheinischen Künstlergilde Krefeld und stellt in dieser Gruppe im In- und Ausland aus.

Wer keine bestimmte Vorstellung vom Werk dieser Künstlerin hat und sich innerhalb von Ausstellungen mit diesem konfrontiert, wird überrascht sein von der stillen eindringlichen Kraft ihrer unverwechselbaren Bilder, wird kaum verstehen, dass sich diese Malerin nicht längst einen Spitzenplatz im Kreis von Liebhabern und Freunden ihrer Kunst erobert hat. Verwundert stellt man fest, dass ihr Name nur einem relativ kleinen Kreis von Kennern geläufig ist. Gerade diese Gegebenheit spricht für die Bescheidenheit der Malerin, die so unerhört selbstkritisch - kaum wagte, sich als Künstlerin zu bezeichnen.

Wer ist sie nun wirklich?

Ist sie irgendeine realistische Malerin, deren Werk nur die reine Freude am Geschauten widerspiegelt, an der die geistigen und malerischen Errungenschaften und Ereignisse, der revolutionäre Charakter der Malerei unserer Zeit vorbeigegangen ist - und zwar spurlos?

Keineswegs! Die nähere Auseinandersetzung mit ihren Bildern beschert uns die Bekanntschaft mit einer Poetin, deren Ehrlichkeit und Treue zum einmal gefundenen Stil sie in die Reihe der Aufrechten erhebt.

Wir lernen eine Künstlerin kennen, die es konsequent zur Malerei trieb, die nicht abseits steht, keine Nachzüglerin ist und gewiss keine Unzeitgemäße!

Von Jugend an voller Lebensfreude, voller Liebe und echter Begeisterungsfähigkeit für das Treiben auf Straßen und Plätzen, mit einem Feingefühl für das Typische, für die Schönheit der Natur, für alles ringsherum in dieser Welt - empfand sie sich vom Glück beschenkt, wonach ihr Sinn stand: Reisen zu unternehmen, die sehnlichsten Herzenswünsche erfüllten und neue Erlebnisse gewährten.

Die in dieser Zeit entstandenen Bilder geben so Aufschluss über ihr künstlerisches Können wie über ihre individuelle Empfindsamkeit.

So schrieb die Journalistin Frau Vick, Krefeld, über das Werk der Künstlerin:

„Die meisten ihrer Bilder haben ihre Wurzel in südlicher Landschaft. Doch das ist keine sentimentale Reminissenz, die von Toruistik-Büros im Prospekt übernommen werden könnten - kein Italien, in dem man „O sole mio“ singen könnte. Darum auch der bruchlose Übergang zur finnischen Herbheit.“

Die Hinwendung zum eigenen Stil ist erstlinig Verzicht auf Nebensächliches, die Stärke ist die Einfachheit, trotzdem aber im Detail sind Form und Farbe ehrfürchtig dem Ganzen unterstellt.

Hier eben offenbart sich die alte Liebe zur Glasmalerei: starke Linienführung veredelt die Form und letztere ist erfüllt mit sprechenden, leuchtenden Farben, die ihrerseits, trotz ihrer Betonung und manchmal modisch anmutenden Aussagekraft, nichts „Poppiges“, Aufdringliches ausstrahlen, vielmehr liegt in der Harmonie feinfühliger Abstimmung etwas Bezauberndes, Schmetterlinghaftes, ein Losgelöstsein - im Sinne unterschiedlicher Heiterkeit und Besinnlichkeit.

Die Palette ist unterschiedlich - Feuer, Dynamik - sie ist schillerndes Perlmutt, ob im bewusst Betonten oder in der Mäßigung gebotener Farbnuancierung.

Worin aber besteht das Besondere ihres Schaffens?

Zunächst einmal in dem, was als ihre Bild-Idee zu nennen ist, die Verschmelzung von Inhalt und Form zu einer einmaligen Einheit.

Nicht weniger „exzentrisch“ ist die Aufteilung ihrer Kompositionen. Landschaften und Interieurs sind oft bewusst gespalteten durch strenge Halbierungen mit betonten Elementen, an denen man vorbeisehen muss, um in den Raum vorzustoßen, durch Tür oder Fensterrahmen, die überraschenden Seitenblick erschließen. Es gibt überhöhte Standpunkte, wie im Überblick, oder vordergründig betont ein Tisch, zwingend an ihm Platz zu nehmen. Alles dient der strengen, aber nie aufdringlichen Aufteilung in horizontale, diagonale oder vertikale Felder, Träger jener Farbwerte, welche den Reiz ihrer Malerei bestimmen.

Zwei Züge sind noch hervorzuheben, die als Gegenspiel zu ihrer sonst strengen Komposition zu deuten sind.

Fast in jedem Bild gibt es einen ganz locker und duftig gemalten Bereich, wo die Künstlerin das gegenständliche gänzlich verlässt und sich jenem Zauberhaften zuwendet, was ihre Stärke ist. Bald ist es ein Strauch, ein Gewandstück oder Blüten, die ganz einfach unser Entzücken bilden, wobei man oft gar nicht erkennt, was an dieser Stelle eigentlich gemalt sein sollte.

Zum anderen weist oft das Bild irgendein überraschendes, bisweilen fast paradoxes Moment auf, das man ergründen muss, einen ungewöhnlichen Ausschnitt, das Fragment eines überschnittenen Gegenstandes, einen vereinzelten Farbfleck, der sich dem Gesamtton entgegenstellt, feine vergeistigte Züge einer empfindsamen Seele.

In dem oft nie ganz Ausgesprochenen, nur Angedeuteten liegt der ganze Zauber ihrer Malerei. Man wird ihrer nie müde, muss sich mit ihr auseinandersetzen, gelangt durch Fragen nur zum Zwiegespräch.

Betrachtet man so das Werk der Künstlerin, dann wird offenbar, warum sich hier nicht im technischen Experiment, im Rausch von Farben eine überaus starke Hand im Sinne einer revolutionären künstlerischen Entwicklung produzieren kann, nein, still, mehr kindlich naiv, herzhaft, zaghaft, aber unbeschwert, mit der lebenserzieherischen Sparsamkeit des Material-Einsatzes und einer edlen Sensibilität für Farbkompositionen entstehen ihre eigenwilligen Werke in einer individuellen Technik und erzwingen begeisterten Widerhall. 

Einführung von Bruno Ortmann, 1974

 

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